Revision des schweizerischen Erbrechts: Was sich ändert

Am 10. April 2021 ist die Referendumsfrist betreffend einen ersten Teil der Revision des schweizerischen Erbrechts ungenutzt abgelaufen. Damit werden die Gesetzesänderungen auf den 1. Januar 2023 in Kraft treten. Notwendig wurden diese Anpassungen aufgrund der Veränderung verschiedener gesellschaftlicher Rahmenbedingungen (zu nennen ist beispielhaft die gestiegene Lebenserwartung oder die Vervielfältigung familiärer Lebensformen). Was die wichtigsten Punkte der Erbrechtsrevision sind und was dies konkret für die Nachlassplanung bedeutet, wird nachfolgend aufgezeigt.

1. Die Anpassung des gesetzlichen Pflichtteils

Durch die Verkleinerung des gesetzlichen Pflichtteils – die gesetzlichen Erbteile bleiben hingegen gleich – und der dadurch bewirkten Erhöhung der sogenannten «frei verfügbaren Quote» vergrössert sich der Handlungsspielraum des Erblassers. Im Einzelnen bedeutet dies:

  • Die Aufhebung der Pflichtteilsberechtigung der Eltern (bisher ½);

  • Die Verkleinerung der Pflichtteilsberechtigung der Nachkommen (neu ½; bisher ¾).

Zusammengefasst bedeutet dies, dass die frei verfügbare Quote nach neuem Recht immer mindestens die Hälfte beträgt. Dadurch können künftig auch Personen, zu welchen keine verwandtschaftliche Beziehung besteht, umfangreicher begünstigt werden. Hingegen wurde auf die Einräumung gesetzlicher Erbansprüche oder gar einem Pflichtteil bei nicht verwandten Personen verzichtet. Als gesetzliche Erben gelten somit weiterhin lediglich Ehegatten / eingetragene Partner sowie Personen, zu denen eine verwandtschaftliche Beziehung besteht, nicht aber bspw. langjährige Konkubinatspartner.

2. Die Erhöhung der verfügbaren Quote bei Nutzniessung

Unter dem geltenden Recht kann einem Ehegatten die Nutzniessung an dem den Kindern zufallenden Erbteil zugewiesen werden. Dabei bleibt eine freie Quote von ¼ bestehen. Neu wird die frei verfügbare Quote ½ des Nachlasses betragen. Einem überlebenden Ehegatten kann neben der Hälfte des Nachlassvermögens zur Nutzniessung, die andere Hälfte als Erbteil zu Eigentum zugewiesen werden. Die Nutzniessungslösung wird neu ausserdem auch zugunsten von eingetragenen Partnern möglich sein.

3. Der Verlust des Pflichtteils während eines Scheidungs- und Auflösungsverfahrens

Aktuell entfällt der Pflichtteilsschutz zwischen den Ehepartnern erst, wenn die Ehegatten durch das Gericht rechtsgültig geschieden resp. wenn die eingetragene Partnerschaft gerichtlich aufgelöst wurde. Neu wird gelten, dass der Tod eines Ehegatten während eines Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens den Pflichtteilsschutz für den überlebenden Ehegatten aufhebt, sofern es sich um eine einvernehmliche Scheidung handelt oder die Ehepartner bereits während zweier Jahre getrennt gelebt haben. Damit kann der Erblasser durch eine letztwillige Verfügung die Erbansprüche des anderen Ehegatten oder eingetragenen Partners bereits während des Scheidungsverfahrens beeinflussen.

Übergangsrecht am Beispiel der neuen gesetzlichen Pflichtteile

Es gilt der Grundsatz, dass das im Zeitpunkt des Todes des Erblassers geltende Recht massgebend ist (sog. Todestags-Prinzip). Konkret bedeutet dies, dass das neue Pflichtteilsrecht auch auf bestehende Verfügungen von Todes wegen (Testamente oder Erbverträge) Anwendung findet, wenn der Erblasser nach Inkrafttreten der Gesetzesbestimmungen stirbt. Eine mögliche Sicherung des erblasserischen Willens lässt sich aber bspw. durch einen ausdrücklichen Verweis auf die früheren Pflichtteilsregelungen im Testament Rechnung tragen. Ein exemplarisches Formulierungsbeispiel wäre: «Diese Erbquoten gelten ausdrücklich auch für den Fall, dass ich nach dem Inkrafttreten des neuen Erbrechts versterbe».

Was bedeutet dies für Sie?

Zum einen bedarf es in erhöhtem Masse einer umsichtigen Nachlassplanung welche die anstehenden Rechtsentwicklungen berücksichtigt. Zum anderen gilt es bereits erfolgte lebzeitige Verfügungen zu prüfen, ob diese mit Blick auf die anstehenden Gesetzesänderungen dem eigentlichen Willen der verfügenden Personen entsprechen. Für den konkreten Fall ist die fachliche Unterstützung eines Rechtsanwalts oder Notars zu empfehlen, sodass allfällige Streitpunkte aufgrund des Übergangsrechts vorzeitig erkannt und bestenfalls ausgeräumt werden können. Gerne steht Ihnen die Advokatur und das Notariat Stadthof dabei zur Verfügung.

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